Etwa 868.000 Schwangerschaften meldet das Statistische Bundesamt für das Jahr 2019, wovon jedoch gut 11% abgebrochen wurden. Im Babyboomer-Jahr 1964 wurden über 1,3 Million Babys geboren – seither geht die Geburtenrate zurück. 2019 wurden 778.000 Kinder lebend geboren, wovon 14.400 Mehrlingsgeburten waren (weitere Quelle: Totgeburten 2019).
Für Arbeitgeber:innen bedeutet die Beschäftigung schwangerer Mitarbeiterinnen einen außerordentlichen Einsatz zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Das Mutterschutzgesetz regelt die speziellen Verhaltensweisen und Erfordernisse, um werdende oder stillende Mütter und die ungeborenen Kinder zu schützen. Hier finden sich sowohl Regelungen für den Gesundheitsschutz als auch den besonderen Kündigungsschutz. So dürfen Frauen bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung nicht gekündigt werden. Ausnahmen machen befristete Arbeitsverträge. Sie enden ohne, dass es einer Kündigung bedarf auch während der Schwangerschaft, Schutzfrist oder Elternzeit.
Die Geschichte des Mutterschutzes
Der besondere Schutz von werdenden Müttern am Arbeitsplatz begann – erwähnenswert – im Jahre 1927, als Deutschland den inländischen Mutterschutz an das Washingtoner Abkommen von 1919 anglich. Zuvor war es Schwangeren und Müttern in weniger privilegierten Bevölkerungsschichten kaum möglich sich selbst und das (un)geborene Kind zu schützen. Es existierte zwar ein Beschäftigungsverbot für 3 Wochen nach der Niederkunft, jedoch ohne, dass die Mütter einen Entgeltersatz erhielten.
In den Jahren des Zweiten Weltkrieges verbesserte sich der Schutz der werdenden Mütter weiter – jedoch weniger aus Empathie der Frauen gegenüber, sondern vielmehr zum Erhalt der „Wehrkraft“ des Volkes.
In der frühen DDR wurde der Mutterschutz nach der NS-Zeit deutlich erhöht. Frauen wurden jetzt vor und nach der Niederkunft von Arbeitgeber:innen bezahlt freigestellt und erhielten außerdem ein Entgelt für die Wäscheausstattung des Babys. Ab den 70er Jahren wurde den Frauen sogar ein „bezahltes Babyjahr“ ermöglicht.
Die Bundesrepublik hingegen, hinkte in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz für Schwangere und werdende Mütter ein wenig hinterher. Erst 1952 trat das „Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter“ in Kraft, das die Grundlage des heutigen Mutterschutzgesetzes bildet. (Quelle: https://www.mdr.de/zeitreise/mutterschutz-deutschland-geschichte-100.html)
Lange Zeit gab es keine echten Neuerungen des Gesetzes. Eine Reformation des Mutterschutzgesetzes gab es erst 2018. Seither werden auch Schülerinnen und Studentinnen in dem Gesetz berücksichtigt.
Wer allerdings noch immer keinen Platz im Mutterschutz findet sind:
- selbstständige Frauen
- Geschäftsführerinnen
- weibliche Mitglieder in Organschaften
Das Mutterschutzgesetz heute
Das heutige Mutterschutzgesetz gilt für alle Beschäftigungsformen. Es ist also unerheblich, ob die werdende Mutter in Vollzeit, Teilzeit oder als Praktikantin in einem Unternehmen beschäftigt ist.
Verantwortlich für die Umsetzung des Mutterschutzes sind alle Arbeitgeber:innen. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass alle geeigneten Maßnahmen eingeführt und umgesetzt werden, die die Gefahren und Gefährdungen für die werdende Mutter und das ungeborene Kind ausschließen.
Mögliche Gefahren für Arbeitsplätze werden mithilfe einer Gefährdungsbeurteilung dokumentiert. Sie beinhaltet auch die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.
Was vielen Unternehmer:innen nicht sofort bewusst ist: Gefährdungsbeurteilungen müssen immer auch zusätzlich unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes Schwangerer erstellt werden. Noch bevor Arbeitgeber:innen also Kenntnis über die Schwangerschaft einer Mitarbeiterin erhalten, müssen Arbeitsplätze dahingehend geprüft werden, welche besonderen Maßnahmen getroffen werden müssen, damit eine schwangere Frau dort weiter tätig sein kann. Manchmal stellt sich dabei auch heraus, dass eine Weiterbeschäftigung an genau diesem Arbeitsplatz bei einer Schwangerschaft nicht möglich ist.
Arbeitsschutzmaßnahmen für werdende Mütter
Schwangere und ihre ungeborenen Kinder bedürfen eines besonderen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Der besondere Schutz gilt sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Entbindung und während der Stillzeit.
Ziel der Maßnahmen zum Schutz der werdenden Mutter ist eine unverantwortbare Gefährdung einer Schwangeren und ihres ungeborenen Kindes auszuschließen.
Unverantwortbare Gefährdungen sind Tätigkeiten, bei denen die Mitarbeiterin:
- Gefahrstoffen
- Biostoffen
- Strahlungen
- Erschütterungen, Vibrationen und Lärm
- Hitze, Kälte und Nässe
- hohen körperlichen Belastungen oder mechanischen Auswirkungen
- einem vorgeschriebenen Arbeitstempo
ausgesetzt ist.
Auch Tätigkeiten im Bergbau unter Tage, in Räumen mit Überdruck oder sauerstoffreduzierter Atmosphäre zählen zu den unverantwortbaren Gefährdungen. Die Ausübung einer Arbeit in diesen Bereichen ist für Schwangere grundsätzlich unzulässig.
Arbeitgeber:innen müssen Schwangeren Erholungsmöglichkeiten schaffen. Dies geht zum Beispiel, indem eine Liege in einem Aufenthaltsraum oder Büro aufgestellt wird. Grundsätzlich sollen schwangere Frauen die Gelegenheit erhalten häufiger kurze Unterbrechungen der Arbeit vornehmen zu können, ohne, dass andere Kolleg:innen dadurch gefährdet werden.
Können an dem eigentlichen Arbeitsplatz der Mitarbeiterin keine notwendigen Schutzmaßnahmen gewährleistet werden, muss ein anderer, geeigneter Arbeitsplatz für die Schwangere gefunden werden. Bevor eine Mitarbeiterin jedoch einfach einen anderen Arbeitsplatz zugewiesen bekommt, muss ihr ein Gespräch angeboten werden, in dem sie über die notwendigen Vorkehrungen und Änderungen informiert wird.
Nimmt die Mitarbeiterin die Einladung nicht an bleibt nur die Möglichkeit der schriftlichen Mitteilung.
Bedenken Sie:
Auch ohne das Gespräch müssen vor allem arbeitszeitliche Richtlinien für die Beschäftigte während der Schwangerschaft eingehalten werden.
Für die Einsatzzeit werdender Mütter gilt:
- eine tägliche Arbeitszeit von maximal 8,5 Stunden (bei minderjährigen Schwangeren: 8 Stunden)
- keine Überschreitung von 90 Arbeitsstunden pro Doppelwoche (bei minderjährigen Schwangeren: 80 Stunden)
- bei Mehrarbeit darf die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Monatsschnitt nicht überschritten werden
- tägliche Ruhezeiten von mindestens 11 Stunden sind einzuhalten
- Verbot der Beschäftigung nach 22 Uhr
- eine Arbeitszeit von 20 Uhr bis 22 Uhr ist nur nach ausdrücklicher Bestätigung durch die Schwangere möglich, sofern ein ärztliches Attest dem nicht widerspricht, sowie nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde
- Beschäftigungen an Sonn- & Feiertagen sind nur möglich, wenn sich die Schwangere hierzu ausdrücklich bereiterklärt
Schwangerschaft und Schutzausrüstung
Ein Irrglaube ist, dass werdende Mütter mit Beginn der Schwangerschaft keine Schutzausrüstung mehr tragen dürfen. Tatsächlich handelt es sich nur um Schutzausrüstungen, die belastend auf die Schwangere oder das ungeborene Kind wirken, wie Atemschutzgeräte oder schwere Schutzkleidung. Sicherheitsschuhe werden nicht als belastende PSA eingestuft und sind deshalb auch für Schwangere geeignet. Ebenso ist keine besondere Belastung zu erkennen, wenn Schwangere medizinische Gesichtsmasken (OP-Masken) tragen.
Werdenden Müttern ist auch das Tragen einer FFP2-Maske (im Fachjargon: filtrierende Halbmaske mit oder ohne Atemventil) grundsätzlich gestattet. Besonderes Augenmerk ist bei diesen Atemschutzmasken auf die begrenzte Tragezeit zu legen. Geregelt ist die Tragezeitbegrenzung für diesen und anderen Atemschutz in der DGUV Regel 112-190, in der sich auch entsprechende Richtwerte für Tragepausen befinden.
Für nicht-schwangere Arbeitnehmer:innen wird nach einer Tragedauer von maximal 75 Minuten eine Pause von 30 Minuten empfohlen. Um im Vergleich dazu dem besonderen Schutz Schwangerer gerecht zu werden, sollten werdenden Müttern deshalb zusätzliche Tragepausen ermöglicht werden.
Gut zu wissen:
Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge gibt es keinen Zusammenhang zwischen Gesundheitsstörungen und elektrischen und magnetischen Feldern an modernen Bildschirmgeräten. Schwangere Frauen dürfen deshalb weiterhin an einem Bildschirmarbeitsplatz tätig sein. Jedoch ist hier der regelmäßige Wechsel zwischen sitzenden und stehenden Tätigkeiten zu ermöglichen.
Beschäftigungsverbot für Schwangere
Sind weder geeignete Schutzmaßnahmen noch eine Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz möglich, bleibt nur die Prüfung auf ein betriebliches Beschäftigungsverbot. Es kommt nur als letzte Instanz in Betracht, wenn keine anderen Lösungen eine unverantwortbare Gefährdung der Schwangeren und dem Ungeborenen ausschließen lassen. Ein betriebliches Beschäftigungsverbot wird von dem Unternehmen ausgesprochen und benötigt keine Feststellung der Aufsichtsbehörde. Auch eine Bescheinigung durch eine:n Gynäkolog:in oder einer anderen ärztlichen Fachkraft ist nicht erforderlich.
Anders bei dem ärztlichen Beschäftigungsverbot (früher: individuelles Beschäftigungsverbot). Hier wird der Schwangeren durch ihre:n Ärzt:in ein persönliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen, wenn nach ärztlichem Verständnis die Gesundheit der werdenden Mutter oder des ungeborenen Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Gründe könnten eine Risikoschwangerschaft oder ein erhöhtes Infektionsrisiko sein, beispielsweise durch häufige Personenkontakte.
Arbeitgeber:innen müssen das ausgesprochene Beschäftigungsverbot, ob ärztlich oder betrieblich angeordnet, der entsprechenden Aufsichtsbehörde mitteilen. Sie sind außerdem verpflichtet der Schwangeren während des Beschäftigungsverbotes einen Mutterschutzlohn zu zahlen. Dieser errechnet sich aus dem Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft.
Zusammenfassung: Erste Schritte, wenn Mitarbeiterinnen schwanger sind
Grundsätzlich sind Arbeitnehmerinnen nicht verpflichtet (potentielle) Arbeitgeber:innen über eine Schwangerschaft zu informieren. So ist zum Beispiel auch bei Bewerbungsgesprächen die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft unzulässig. Teilt Ihnen Ihre Mitarbeiterin mündlich mit sie sei schwanger müssen Sie diese Aussage allein nicht akzeptieren. Verlangen Sie einen schriftlichen Nachweis über die Schwangerschaft von einer:m Ärzt:in oder einer Hebamme müssen Sie Ihrer Mitarbeiterin die Kosten dafür erstatten.
Schritt 1:
Sobald Ihnen der Nachweis einer Schwangerschaft vorliegt – oder Sie die mündliche Aussage akzeptieren – greift das Mutterschutzgesetz. Nehmen Sie umgehend die vorhandene Gefährdungsbeurteilung zur Hand, um die notwendigen Schutzmaßnahmen einzuleiten und bieten Sie der schwangeren Arbeitnehmerin das Gespräch zur Erläuterung der Maßnahmen an.
Schritt 2:
Eine Mitteilung an die Aufsichtsbehörde wird notwendig. Je nach Bundesland handelt es sich hier um das Gewerbeaufsichtsamt oder das Amt für Arbeitsschutz. Eine Liste der für Sie zuständigen Behörde finden Sie auf der Seite des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Auf den Seiten der jeweiligen Behörde finden Sie in der Regel auch Vordrucke für die Mitteilung selbst.
Schritt 3:
Informieren Sie Ihre (externe) Fachkraft für Arbeitssicherheit und bitten Sie sie um Unterstützung bei der Durchführung der Schutzmaßnahmen für Ihre schwangere Mitarbeiterin. Die Fachkräfte bei F&J begleiten Sie gern dabei.
Übrigens:
Frauen dürfen nach dem 5. Schwangerschaftsmonat nicht mehr als 4 Stunden stehen. Sorgen Sie deshalb rechtzeitig für Lösungen, die eine ausgleichende Körperhaltung der werdenden Mutter unterstützen. Häufige Zwangshaltungen, wie Bücken, Strecken oder Hocken sind schon zu Beginn der Schwangerschaft Tabu.
Kontaktieren Sie uns für weitere Informationen und Beratung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.